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Freie Software für alle?

Zuammenfassung von Stefan Schreck

Dünn besetzte Panels haben den Vorteil, daß die Referenten etwas mehr Zeit haben, ihre Themen auszubreiten, und daß die sonst spärlich geplanten Pausen länger werden. Durch die beiden gänzlich unterschiedlichen Teilnehmer aus dem deutschen Bildungswesen wurde ein wichtiger Bereich der Gesellschaft dargestellt, in dem Freie Software an den Grundwurzeln wirken kann. Um es vorwegzunehmen: Dies tut sie bis jetzt zu wenig! Dabei müßte es doch dem Lehr- und Bildungsauftrag an Schulen und Universitäten entsprechen, wenn es gemessen am eigenen Anspruch ein Wissen um die Verfügbarkeit von "Freier Software" gäbe:

"Die Schüler sind zu freien, verantwortungsbewußten Menschen der Gemeinschaft zu erziehen."

Statt dessen steht auf einer CD-ROM mit Software, die an deutschen (hier nordrhein-westfälischen) Schulen verteilt wird:

"Als Bildungsziel betrachten wir, die Bedienung von WORDTM zu erlernen."

Hier wird ein Status quo fest geschrieben, den es zu beseitigen gilt. Denn nicht die Bedienung einzelner Programme ist die zu erlernende Kulturtechnik, sondern der Umgang mit dem Computer als solches. Und dies ist in Unabhängigkeit von der verwendeten Software zu sehen. Inklusive des Betriebssystems, auf dem das Ganze läuft. Insofern ist Freie Software weniger eine Frage der Kosten - die ja für Schulen und Universitäten durchaus ein Faktor sein können -, sondern eine Einstellungssache, eine Frage des Bewußtseins oder eine Frage des "Wissens und Lernens".

"Es geht hier auch um Wissen und Lernen. Nicht nur um freie Software."
Dr. Tilman Baumgärtel, Moderator des Panels, freier Autor

"Auf dem Desktop wird die Schlacht geschlagen und entschieden."
Peter Bingel, Bonn "Verein freier Software in der Bildung e.V."

Für Lehrer an deutschen Schulen scheint es ein Alptraum zu sein. Einerseits übernehmen sie die wichtige Aufgabe der Wissensvermittlung, andererseits können sie nur das weitergeben, von dem sie etwas wissen. Wenn sie an dieser Stelle versäumt haben ihre eigene Meinung aufgrund der verfügbaren Ressourcen zu bilden, werden sie das weitergeben, was der Standard ist, aber bestimmt nicht die optimalste Lösung.

Microsoft wendet eine aggressive Werbepolitik an deutschen Schulen an, indem sie lange Zeit freie oder zumindest verbilligte Softwarelösungen zur Verfügung gestellt haben. Und auch andere Firmen, wie z.B. Apple, haben ihre eigene Ausbildungsstrategie: "Schulen ans Netz" lautet ihre Initiative für den deutschsprachigen Raum. Solche Strategien sind kaum zu kritisieren und tragen dennoch den Kern des Problems schon in sich. Wenn man z.B. bei Microsoft die Nutzungsbedingungen dieser so zur Verfügung gestellten Software liest, so stellt man fest, daß die Nutzung nur bis zum Ende des Jahres 1999 erlaubt ist. Man bekommt die Software also nur geliehen, besitzen tut man sie nicht. Und was dann? Einmal an das Betriebssystem mit seinen integralen Bestandteilen gewöhnt, will man das scheinbar funktionierende System natürlich nicht mehr eintauschen, geschweige denn etwas Neues lernen. "Wenn ich Windows nehme, habe ich keine Probleme." Dieser Satz eines deutschen Lehrers ist so wahr, wie fatal.

Schaffen Großunternehmen wie Microsoft damit ihre eigenen Wissensstrukturen? Und wie wollte man das so mühsam und über Jahre Aufgebaute wieder ins Wanken bringen? Und warum sollte man dies überhaupt tun wollen? Für Peter Bingel gibt es darauf nur eine Antwort: "Man muß sich nur trauen. Der Knackpunkt sind die Lehrer, denn die trauen sich das nicht." Nur was auf der Oberfläche stattfindet, wird auch wahrgenommen. Ist der Desktop mit einem wohlbekannten Microsoft-Antlitz ausgestattet, so scheint der Kampf bereits entschieden. Daß auch an deutschen Schulen im Hintergrund als Server häufig ein Linux basierter Rechner werkelt, interessiert dann keinen mehr. Selbst an einer "Microsoft-Partnerschule" in Bonn läuft Linux als Serversoftware. Aber der Server ist eben nicht der Desktop. Und hier wird ja bekanntlich "die Schlacht geschlagen."

"Open Source alleine funktioniert nicht!"
Nazir Peroz, Berlin Gesellschaft für Informatik, Arbeitskreis Informatik und 3. Welt

Für den Dozenten der Technischen Universität Berlin stellt sich das Problem ganz anders dar. Um mit der frei verfügbaren Software in den von ihm so genannten "Dritte Welt Ländern" überhaupt etwas anfangen zu können, bedarf es zunächst der Versorgung mit den Grundmitteln: technische Ressourcen und Wissensressourcen. Solange aber Rechner in den Verwaltungsbüros dazu mißbraucht werden, eine ordentliche Kühlung der Räume zu organisieren, sind sie für ihre eigentliche Bestimmung nicht zu gebrauchen. Und so lange gespendete Rechner in Mexiko nicht an ihren eigentlichen Bestimmungsort gelangen, sondern in die Büros der öffentlichen Verwaltung wandern, kann von einer adäquaten Versorgung mit dem technisch Notwendigem nicht die Rede sein. Was soll man dann mit Freier Software? Es gibt ambitionierte Pläne, in Afrika ca. 38.000 km Glasfaserkabel rund um die Küste des Kontinents zu legen, um eine hochbandbreitige Vernetzung zu garantieren. Aber damit wäre nur ein Teil der technischen Probleme gelöst. Bleibt die Tatsache, daß nur ca. 1% der Wissenschaftler weltweit in Afrika leben und arbeiten, und 0,8 % der wissenschaftlichen Publikationen von dort kommen. Als Antwort auf diese Mißstände gibt es viele Initiativen der UNESCO, der WHO und der Weltbank. Doch es gibt auch weitere praxisbezogene Ansätze wie etwa die AG "Computer Info Transfer" (CIT) an der TU Berlin. Dort will man versuchen, online technikbezogene Hilfe für Dozenten in Afrika zur Verfügung zu stellen und Studenten aus diesen Ländern an deutschen Universitäten auszubilden, um sie für die Arbeit unter den heimischen Bedingungen besser zu qualifizieren. In den "Dritte Welt Ländern" selbst ist die Ausbildung wenig praxisorientiert, im wesentlichen geisteswissenschaftlich ausgerichtet, und die Lehrkräfte sind schlecht bezahlt. Verbunden sind diese Initiativen mit der Hoffnung, daß sich in Zukunft die technischen Ressourcen von alleine erledigen, da Hardware, Software und Leitungen billiger werden. Bleibt der Wissenstransfer, der sich mit der Verfügbarkeit einer globalen Vernetzung aber hoffentlich von selbst verbessern wird.

Und wenn die Frage von "Open Source Wissen" und "Open Source Technik" erst geklärt ist, dann, ja dann könnte auch die Idee von Open Source Software in diesen Ländern eine Rolle spielen. Und natürliche sollte sofort damit anfangen werden, denn sonst stellt sich ein afrikanischer Student auch bald die Frage, die sich ein Zuhörer aus dem Auditorium heute gestellt hat: "Wie konnte eigentlich dieses Ding auf meinen Schreibtisch kommen?" Gemeint war ein PC mit Software aus dem Hause Microsoft.


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