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Alexander von Humboldt (assistiert durch Frank Holl und vorgetragen durch Sabine Vogel) Verehrte Tagungsteilnehmer,
die Konsequenzen vieler technischer Errungenschaften, mit denen Sie heute zu leben haben, erschrecken mich zutiefst. Trotzdem verfolge ich die Entwicklung der modernen Technik mit höchstem Interesse. Den technischen Fortschritt habe ich stets als "Mittel zur Beförderung der Menschheit" gesehen. Wie Sie vielleicht wissen, hat mich beispielsweise im Jahr 1839 die französische Akademie der Wissenschaften beauftragt, zusammen mit meinen Kollegen Biot und Arago das Gutachten über die Erfindung der Daguerreotypie zu erstellen. Diese neue Technik hat mich ebenso begeistert wie diejenige der Eisenbahn und die Erfindung der Gedankendrahtung, die Sie heute Telegraphie nennen.
Die Ihnen heute so geläufigen Begriffe wie "System" und "Vernetzung" waren auch mir nicht fremd. Die Phänomene der Natur sehe ich als "eine allgemeine Verkettung nicht in einfach linearer Richtung, sondern in netzartig verschlungenem Gewebe." Mit anderen Worten: "Alles ist Wechselwirkung". Aber nicht allein die Natur betrachte ich in ihrer Wechselwirkung. Auch meine Kommunikation war ein Netz, das sich über die ganze Welt erstreckte. In meinem fast 90 Jahre währenden Leben habe ich wohl mehr Briefe verfaßt als mein Freund Goethe. Es dürften mehr als 50.000 gewesen sein. Mein Kommunikationsnetz diente, ähnlich dem frühen Internet, vor allem dem Austausch von Meßdaten und wissenschaftlichen Informationen. Es half mir aber auch bei der Förderung junger wissenschaftlicher Talente durch Empfehlungen. Die Verbesserung der technischen Möglichkeiten der Datenübertragung war mir ein wesentliches Anliegen. So stand ich mit dem jungen Werner Siemens in intensivem Austausch über die Erfindung der Telegraphie und beriet ihn dabei, den kürzesten Weg bei der Verlegung von Überseekabeln zu finden.
Meine Kosmos-Vorträge, die ich 1827 in der Berliner Singakademie vor Tausenden von Zuhörern aus allen Volksschichten hielt, hat man als "Sternstunden der Wissenschaftspopularisierung" bezeichnet. "Wissen und Erkennen sind die Freude und die Berechtigung der Menschheit." Sie sind kein Privileg für wenige. Wissen und Erkennen müssen alle Völker und alle Klassen durchdringen. Bereits während meiner amerikanischen Forschungsreise habe ich meine Kenntnisse an alle Interessierten in Amerika und Europa weitergegeben. Wissenschaftliche Geheimnisse gab es für mich nicht.
Grundlegende Erfindungen, das ist meine tiefste Überzeugung, dürfen nicht in der Hand einzelner bleiben. Aus diesem Grund sorgte ich 1839 auch dafür, daß der großartige Louis Jacques Mandé Daguerre vom französischen Staat eine Pension erhielt und auf Patente verzichtete. So blieb der Gebrauch der Fotografie für immer in der "public domain". In diesem Sinne sehe ich auch den Aufstieg der freien Software. Sie trägt zur Demokratisierung der Computerwelt bei, indem sie Monopole verhindert. Und nicht zuletzt dient sie dem partnerschaftlichen Wissensaustausch zwischen reicheren und ärmeren Ländern.
"Ideen können nur nützen, wenn sie in vielen Köpfen lebendig werden". Aus diesem Grund wünsche ich Ihrer Tagung allen nur erdenklichen Erfolg.
Alexander von Humboldt
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