Das „Netzwerk Recherche“ und das Informationsfreiheitsgesetz Dr. Manfred Redelfs
Greenpeace e.V., Recherche-Abteilung
Netzwerk Recherche
Tel.: 040/30618-356
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In dieser Runde vertrete ich heute gewissermaßen die Seite der „Anwender“. Ich möchte dabei hauptsächlich auf zwei Fragen eingehen:
1) Warum ist das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wichtig für die beiden Organisationen, für die hier vertrete, also Greenpeace und die Journalistenorganisation „Netzwerk Recherche“? Oder anders gefragt: Wofür würden wir es gerne nutzen?
2) Was muss sich noch ändern an dem bisher vorliegenden Gesetzentwurf des Bundes, damit das IFG wirklich zu einer transparenteren Verwaltung führt? Für diesen zweiten Punkt möchte ich zurückgreifen auf Erfahrungen mit einem anderen Gesetz, das Zugang zu Behördenunterlagen gewährt, nämlich dem Umweltinformationsgesetz (UIG).
Zum ersten Punkt:
Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass Deutschland bei der Informationsfreiheit im internationalen Vergleich ein absoluter Nachzügler ist: In fast allen industrialisierten Ländern gibt es vergleichbare Bestimmungen zur Akteneinsicht schon seit langem – vor allem in den skandinavischen Staaten und in Nordamerika. Der Freedom of Information Act der USA, der einen Vorbildcharakter besitzt, wurde bereits 1966 von Präsident Johnson in Kraft gesetzt. Schweden hat sogar seit rund 200 Jahren ein Akteneinsichtsrecht. Kein Wunder, dass sich in juristischen Fachaufsätzen, die sich dem internationalen Rechtsvergleich widmen, recht harsche Urteile über die Verhältnisse in Deutschland finden. Ich zitiere aus einem Beitrag von Bernhard Wegener in der Zeitschrift „Europarecht“: „Heute muss die deutsche Verwaltung der rechtlichen Konzeption nach als eine der geheimsten und für den Bürger intransparentesten demokratischen Verwaltungen der Welt bezeichnet werden.“
Angesichts dieser Ausgangslage ist natürlich jeder Vorstoß, auch bei uns die Aktenschränke zu lüften – sei es auf Landesebene oder im Bund – grundsätzlich zu begrüßen. Gleichzeitig muss man sich aber klar machen, dass es sich bei den Transparenzverpflichtungen nicht um einen geradezu revolutionären Akt oder ein wagemutiges Reformprojekt handelt – sondern lediglich um den Versuch, Deutschland wieder Anschluss an den internationalen Standard zu verschaffen.
Warum haben Greenpeace und das Netzwerk Recherche ein besonderes Interesse an einer transparenteren Verwaltung? Beide Organisationen verbindet, dass sie für die Öffentlichkeit eine Informationsfunktion übernehmen. Sowohl Journalisten als auch Nichtregierungsorganisationen begreifen es als ihre Aufgabe, Informationen zu beschaffen und so aufzubereiten, dass sie allgemeinverständlich sind. Außerdem nehmen sowohl die Presse als auch NGOs eine Kontrollfunktion gegenüber der Politik wahr. Erst indem Verwaltungshandeln, z.B. bei großen Bauplanungsvorhaben, bekannt gemacht wird, kann die Öffentlichkeit das Für und Wider diskutieren.
Die Bedeutung eines IFG für diese Aufgaben möchte ich im folgenden konkretisieren. Zunächst zum Journalismus: Journalisten haben in Deutschland nach den Landespressegesetzen einen Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden. Der wird normalerweise durch die Pressesprecher der jeweiligen Ämter erfüllt. Was bringt das IFG da an neuer Qualität?
1) Erstens ist es ein ganz entscheidender Unterschied, ob ein Journalist sich mit den telefonischen Auskünften eines Pressesprechers zufrieden geben muss – die er im Zweifelsfall gar nicht überprüfen kann – oder ob er das Recht erhält, Originalakten einzusehen.
Dazu einige Beispiele aus den USA: Dort sind etliche Skandale erst durch die Aktenrecherchen von investigativen Journalisten ans Licht gekommen. So hat eine kleine Regionalzeitung in Albuquerque/New Mexico herausgefunden, dass das US-Militär bei den Atombombentests in den 50er Jahren Soldaten bewusst hoher radioaktiver Strahlung ausgesetzt hat, um die Wirkung auf den menschlichen Organismus zu untersuchen.
Ein anderer Fall: Über FOIA-Recherchen ist bekannt geworden, dass die meisten GIs, die im Golfkrieg ums Leben kamen, versehentlich von den eigenen Kameraden erschossen wurden – wofür das US-Militär den Begriff „friendly fire“ verwendet.
Ich habe bewusst Beispiele aus dem militärischen Bereich ausgewählt, weil die Güte eines Informationsfreiheitsgesetzes sich daran bemisst, dass auch sensible und potenziell unangenehme Informationen weitergegeben werden – und nicht nur die, bei denen die Regierung gut dasteht.
Doch zurück nach Deutschland:
2) Der zweite Vorteil des IFG gegenüber dem bestehenden Recht ist, dass ein recherchierender Journalist, der z.B. einem Korruptionsfall auf der Spur ist, den Antrag nicht zwingend als Pressevertreter zu stellen braucht. Das IFG ist ein Jedermannsrecht und der Antrag erfordert keine Begründung. Ein Journalist kann daher in sensiblen Fällen einfach unter seinem Namen anfragen und weckt damit vermutlich nicht so leicht schlafende Hunde als wenn er als Vertreter z.B. des „Spiegel“ Auskunft begehrt.
3) Die dritte Verbesserung aus journalistischer Sicht hat zu tun mit dem Datenschutz. Wenn personenbezogene Daten berührt sind, endet der Auskunftsanspruch der Presse. Das ist heute ein beliebtes Argument, auf das sich viele Pressestellen zurückziehen. Das IFG sieht hier vor, dass die Behörde die betroffene Privatperson fragen muss, ob sie mit der Weitergabe der Daten einverstanden ist oder nicht. Die Chancen, die Recherche weiterzuführen, werden damit auf jeden Fall verbessert.
Soweit die journalistische Perspektive. Nun zu den Erwartungen von Greenpeace: Die Recherche deckt bei Greenpeace alle möglichen Wege der Informationsbeschaffung ab, d.h. wir
• werten veröffentliche Quellen aus: Wir haben z.B. etliche Datenbankzugänge, um über die Informationen, die mosaikartig bei Reuters, Creditreform, Dialog oder in der Tagespresse zu finden sind, Firmenprofile zu erstellen.
Wir nutzen Personenquellen, befragen also Experten, führen Hintergrundgespräche und sind bemüht, Insider-Kontakte aufzubauen - so wie recherchierende Journalisten das auch machen.
Und wir machen Vor-Ort-Beobachtungen, observieren also etwa, ob eine verdächtige Firma illegal Giftmüll beseitigt.
Wenn man sich diese theoretisch möglichen Quellen der Recherche vergegenwärtigt, wird schon deutlich, dass die Einführung eines IFG jetzt nicht den sofortigen Durchbruch bei der Recherche bringen wird. Dass wir in Deutschland so wenig investigativen Journalismus haben, hat viele Ursachen – es ist nicht allein die Geheimniskrämerei in den deutschen Amtsstuben daran schuld. Ähnlich sind die Erwartungen von Greenpeace: Wir versprechen uns vom IFG keine Wunder, denn es ist ohnehin nur ein Teilbereich der Recherche berührt. Aber: Jede zusätzliche Transparenz von Verwaltungsvorgängen ist ein Stück mehr demokratische Teilhabe, weshalb wir uns nachdrücklich für die Reform aussprechen.
Wofür könnte Greenpeace ein bundesweites IFG nutzen? Ich will einmal zwei Beispiele aus der aktuellen Arbeit herausgreifen:
1) Unsere Energie-Kampagne würde gerne beim Bundesamt für Strahlenschutz die Prüfunterlagen für Castor-Behälter anfordern und die Ergebnisse der Belastungstests einsehen.
Dazu noch eine Hintergrundinformation: Vielleicht erinnern Sie sich an den Strahlenskandal 1998: Im Mai 98 wurde bekannt, dass etliche Castorbehälter beim Transport in die Wiederaufbereitungsanlage La Hague weit überhöhte Strahlenwerte aufwiesen. Den Kraftwerksbetreibern in Deutschland lagen seit zehn Jahren Messprotokolle vorlagen, die die Überschreitung der Grenzwerte dokumentierten. Der Energiekonzern Preussen-Elektra rechtfertigte sich mit der Aussage, es gäbe keine formale Verpflichtung, die Grenzwertüberschreitung dem Umweltministerium aus eigener Initiative mitzuteilen – und das Ministerium wiederum hatte nie gefragt, weil es sich angeblich nicht vorstellen konnte, dass die Konzerne die Regelungslücke ausnutzen würden. Bei Greenpeace können wir uns das Verhalten der Kraftwerksbetreiber nach aller Erfahrung sehr wohl vorstellen – wir hätten gerne nach den Daten gefragt, wenn wir Zugang dazu gehabt hätten. Der Skandal kam übrigens damals ans Licht, weil die französische Regierung gewechselt hatte und die neue Koalition unter einer grünen Umweltministerin ein politisches Interesse hatte, den Fall öffentlich zu machen. Eine größere Transparenz der staatlichen Aufsichtsbehörden würde dagegen dazu führen, dass man auch unabhängig von solchen veränderten politischen Konstellationen mehr Kontrolle erreichen würde.
Ein anderes Beispiel, diesmal zu unserer Kampagne gegen Gentechnik in der Landwirtschaft:
Das Robert-Koch-Institut in Berlin, eine Fachabteilung des Gesundheitsministeriums, entscheidet über die Genehmigung von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Organismen und auch über die Marktzulassung, also den kommerziellen Anbau. Hier wäre es sehr interessant, nicht nur etwas über die Entscheidung als solche, sondern auch über die Entscheidungsgründe zu erfahren, also über die angelegten Bewertungskriterien, die bei der Sortenzulassung zum Tragen kommen.
Wie wichtig eine solche Rolle ist, sieht man bei der Gentechnik-Kampagne anhand unserer Arbeit zur Zulassungspraxis des Europäischen Patentamts: In den zurückliegenden Jahren hat Greenpeace wiederholt Skandale aufgedeckt – wie die patentrechtliche Zulassung von Mensch-Tier-Mischwesen, die das Patentamt anschließend wieder zurückgenommen hat, weil sie gegen die eigenen Richtlinien verstieß. Allerdings waren diese Greenpeace-Enthüllungen nur möglich, weil die Patentanträge öffentlich einsehbare Dokumente sind. Wäre das Patentrecht ähnlich restriktiv und öffentlichkeitsscheu wie manche Behördenvorgänge, dann würde es vermutlich auch weiterhin Patente auf Mensch-Tier-Mischwesen geben. Die Transparenz, das will ich mit diesem Beispiel unterstreichen, ist also nicht eine lästige Pflicht, sondern sie führt in der Konsequenz zur besseren Fehler-Erkennung und ist damit letztlich im Interesse auch der Behörde.
II.
Soviel zum Potenzial des IFG. Ich möchte in der verbliebenen Zeit jetzt die Schwachpunkte des Bundesentwurfs ansprechen. Die Frage lautet also gewissermaßen: Was muss sich am Gesetz noch ändern, damit die damit verbundenen Hoffnungen wirklich erfüllt werden?
Wenn man den Referentenentwurf des Innenministeriums genau liest, findet man so viele Ausnahmeregelungen und schwammige Formulierungen, dass schnell deutlich wird, dass das von der Behörde selbstgesteckte Ziel, sich von der Vertraulichkeit der Verwaltungsvorgänge zu verabschieden, so nicht erreicht werden kann. Man könnte auch sagen: Angekündigt hat das Innenministerium einen schnittigen Sportwagen. Was jetzt vorgestellt wurde, ist aber ein Prototyp, der nur mit angezogener Handbremse fahren kann.
Meine Hauptkritik bezieht sich auf drei Punkte:
• den Umfang des Aktenzugangs
• die Bearbeitungsfristen
• und auf die Gebühren.
Die Ausnahmeregelungen, nach denen keine Informationen zugänglich gemacht werden müssen, greifen nicht nur bei naheliegenden Gründen wie dem Schutz personenbezogener Daten, sondern bei vielen Punkten, die von einer kooperationsunwilligen Behörde vorgeschoben werden können:
Ausgenommen sind z.B. Informationen aus einem laufenden Verwaltungsverfahren. Das ist insofern widersinnig, als dass die Bürger sich natürlich gerade für Vorgänge interessieren, auf die sie noch Einfluss nehmen können. Wenn nur vollendete Tatsachen mitgeteilt werden dürfen, wird der eigentliche Sinn der Transparenzverpflichtung, nämlich eine bessere Bürgerbeteiligung, unterlaufen und ad absurdum geführt.
Viele Ausnahmeregelungen sind schwammig und zu weit formuliert, so etwa, dass kein Anspruch auf Informationszugang besteht, wenn „die Vertraulichkeit von Beratungen oder der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ berührt werden.
Geradezu aberwitzig wird es durch die Bestimmung, dass auch der „Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter“ ein Ausnahmegrund ist. Das wäre höchstens plausibel, wenn es dabei um die Geschäftsgeheimnisse einer privaten Firma ginge. Allerdings zählen im vorliegenden Entwurf auch die Behörden selbst zu den zu schützenden Dritten. D.h. ein Amt, das eigentlich zur Transparenz verpflichtet werden soll, kann selbst festlegen, welche Akten nach dem unbestimmten Begriff des „Geschäftsgeheimnisses“ nicht rausgegeben werden sollen. Das lädt zum Missbrauch ein und macht den Referentenentwurf zur Mogelpackung.
Zu den Bearbeitungszeiten:
Viele Informationen sind nur hilfreich, wenn man sie schnell und unkompliziert bekommt. Der Referentenentwurf sieht aber überhaupt keine Bearbeitungsfristen vor. Lediglich aus der Verwaltungsgerichtsordnung ergibt sich, dass ein Bürger wegen Untätigkeit klagen kann, wenn er nach drei Monaten noch keine Antwort erhalten hat. Das schleswig-holsteinische Gesetz schreibt dagegen vor, dass Anträge „unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats“ zu bearbeiten sind. Der Bundesentwurf fällt also in diesem Punkt weit hinter die Landesgesetze zurück.
Zu den Kosten:
Zum einen ist der Höchstsatz von 1.000 Mark Bearbeitungsgebühr abschreckend. Dazu kommen dann aber noch die Sachkosten, z.B. für Fotokopien. Nun kann man sagen, das sind ja die Höchstkosten, in vielen Fällen wird es sicherlich preiswerter. Nun lehrt aber leider die Erfahrung, dass deutsche Behörden dazu neigen, den theoretisch möglichen Kostenrahmen gnadenlos auszuschöpfen – insbesondere, wenn ihnen die Anfrage unangenehm ist. Das ist keine böswillige Spekulation von mir, sondern das zeigt die Praxis bei einem anderen Informationsgesetz, mit dem schon einschlägige Erfahrungen vorliegen, nämlich mit dem Umweltinformationsgesetz. Das garantiert einen Auskunftsanspruch jedes Bürgers bei umweltrelevanten Fragen.
Dieses Gesetz, das den meisten Menschen nach wie vor unbekannt ist, geht zurück auf eine EU-Richtlinie von 1990. Deutschland hat zunächst vier Jahre gebraucht, die ungeliebte EU-Richtlinie überhaupt in ein nationales Gesetz zu überführen. Das ist dann 1994 in einer Form passiert, die den Sinn der Richtlinie total unterlief: Die deutsche Gebührenordnung sah Gebühren von bis zu 10.000 Mark für die Beantwortung der Bürgeranfragen vor. Obendrei hatte man sich in Deutschland überlegt, dass ja auch für die Ablehnung von Anträgen Arbeit anfällt und auch das in Rechnung gestellt. Sie stellen also als Bürger einen Auskunfts-Antrag an die Verwaltung. Das wird abgelehnt, aber Sie bekommen eine Rechnung. So hatte sich die EU die neue Behördentransparenz nicht vorgestellt und hat Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Das Ergebnis sind jetzt eine Reihe von Verbesserungen. So hat der Bund mittlerweile seine Gebührenobergrenze auf 1.000 Mark gesenkt und abgelehnte Anträge kosten gar nichts mehr. Die Bundesländer verlangen aber munter auch weiterhin astronomische Gebühren – Niedersachsen z.B. bis zu 12.000 Mark. Auch dazu ein Beispiel, um die Sache konkret zu machen:
Vor zwei Monaten hat Greenpeace sich überlegt, eine Karte zu veröffentlichen, die die regionale Verteilung der Massentierhaltung im Regierungsbezirk Weser-Ems zeigt. Das ist das Gebiet in Deutschland mit der größten Konzentration industrieller Massentierhaltungsanlagen. Es sollte recherchiert werden, wie viele Mastanlagen für Puten oder Schweine bereits bestehen und wie viele sich derzeit noch in der Genehmigungsphase befinden. Eine Fragestellung, die eindeutig unter das Umweltinformationsgesetz fällt, für die die Auskunft also nicht verweigert werden kann. Auch sollte man annehmen, dass die zuständigen Bauämter der Landkreise diese Zahlen problemlos heraussuchen können, denn schließlich ist es ja auch für einen betroffenen Landkreis selbst wichtig zu wissen, wie er sich entwickelt – ob 10 weitere Schweineställe geplant sind oder ob sich noch 110 im Genehmigungsverfahren befinden. Der Versuch, diese Zahlen per Telefonrecherche zu bekommen, verlief gleich im Sande. In Vechta, im sogenannten „Schweinegürtel Deutschlands“, hieß es zum Beispiel: „Wissen Sie eigentlich, dass hier in Niedersachsen Kommunalwahlkampf ist?“. Da hat man auch in der Verwaltung gleich gemerkt, dass das Thema sensibel ist. Und das Telefonat endete mit dem Hinweis „Die Zahlen kriegen Sie sowieso nicht“.
Ich habe also eine formelle Anfrage nach dem UIG an 11 Landkreise gestellt. Für die Bearbeitung haben die nach dem Gesetz zwei Monate Zeit, und diese zwei Monate waren am Montag dieser Woche rum. Wie sieht jetzt die Bilanz aus?
• 2 Landkreise haben die Daten geliefert und keine Kosten berechnet.
• 1 Landkreis hat die Daten geliefert und dafür 630 Mark Bearbeitungsgebühr für einen Zeitaufwand von sechs Stunden in Rechnung gestellt (Stundenlohn von 105 Mark für einen Verwaltungsmitarbeiter des gehobenen Dienstes)
• 1 Landkreis hat mitgeteilt, dass die Kosten voraussichtlich bei mehreren tausend Mark liegen werden, ohne sich auf eine Höhe festzulegen
• der Landkreis Vechta, bei dem es am Telefon schon hieß, „die Daten kriegen Sie nicht“, geht von mindestens 5.600 Mark Bearbeitungsgebühr aus. Zwar berechnen die nur einen Stundenlohn von exakt 56,63 Mark – dafür veranschlagen sie aber 100 Stunden, um die Daten rauszusuchen.
• Die übrigen 6 Landkreise, also die Mehrheit, hat die Antwortfrist verstreichen lassen, ohne überhaupt zu reagieren. Denen werden wir jetzt per Rechtsanwalt eine Erinnerung zustellen und sie zur Not verklagen, wenn es nicht anders geht.
Das Problem, das sich an diesem aktuellen Beispiel zeigt, hat mehrere Ebenen:
• Zum einen darf man im Gesetz einfach keine großen Spielräume lassen, was die Kosten angeht. Eine Verwaltung, die aus politischen Gründen nicht kooperieren will, wird sich immer hinter ihren Gebühren verschanzen – so wie der Landkreis Vechta das in klassischer Weise tut. Damit lassen wir die natürlich nicht durchkommen. Aber Privatpersonen, die sich weniger gute Rechtsanwälte leisten können, als das bei Greenpeace der Fall ist, haben in solchen Konflikten leider das Nachsehen. Es muss deshalb aus der Politik die klare Vorgabe geben, dass Behördentransparenz zu den ganz normalen „Demokratiekosten“ gehört. Im übrigen ist aus den USA, wo es wesentlich geringere Gebührensätze gibt, nicht bekannt geworden, dass dort wegen des FOIA der Staatsbankrott droht.
• Zweitens ist es ein Unding, dass offensichtliche Versäumnisse der Verwaltung von den Antragstellern bezahlt werden sollen. Der Skandal ist in meinen Augen nicht nur die hohe Gebühr für das Zusammenstellen der Daten. Erschreckender noch ist, dass die Landkreise offenbar selbst keinen Überblick haben, wie viele Mastanlagen sie genehmigen. Und die eigentlich überfällige Aufgabe, das mal zusammenzustellen, soll dann auch noch den Bürgern in Rechnung gestellt werden, die sich danach erkundigen. Das ist ungefähr so, als wenn man merkt, dass es in der Stadt brennt, alarmiert schnell die Feuerwehr – und bekommt dann hinterher eine Rechnung über den Löscheinsatz.
• Schließlich zeigt sich für mich anhand der Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz, dass es nicht reicht, so etwas auf dem Verordnungsweg einzuführen und es damit bewenden zu lassen. Es geht eigentlich um mehr als um eine simple Gesetzesänderung. Wenn man das mehrhundertjährige Prinzip der „Amtsverschwiegenheit“ als Erbe des deutschen Obrigkeitsstaates überwinden will, muss sich dafür auch das Selbstverständnis der Verwaltung und die Haltung gegenüber den Interessen der Öffentlichkeit ändern. Zur Zeit bekommt man in manchen Verwaltungseinheiten als Fragesteller den Eindruck vermittelt, als würde man eigentlich nur stören, als wäre jede Bitte nach Akteneinsicht ein unsittlicher Antrag.
Um von dieser Grundhaltung wegzukommen, muss das IFG meiner Meinung nach mit zwei Dingen einhergehen: Die Verwaltungsmitarbeiter müssen geschult werden und es muss klare Ansprechpartner für die Öffentlichkeit geben. In den USA ist es so, dass jede Behörde eigene FOIA-Officer hat, die sich um die Auskunftsbegehren kümmern.
Wenn ich bei internationalen Greenpeace-Recherchen etwas wissen will, bin ich immer froh, wenn ich die Daten aus den USA bekommen kann: Das klappt wenigstens. Ich weiß, an wen ich mich wenden kann, die Leute sind freundlich, meistens kompetent, und sie liefern die Daten auch noch kostenlos. Habe ich mit deutschen Stellen zu tun, ist es sofort ein Kampf, so wie anhand des Beispiels beschrieben.
Neben der Schulung der Verwaltungsmitarbeiter fehlt in Deutschland eine Werbekampagne, die die gesetzlichen Möglichkeiten überhaupt erst mal bekannt macht. Wer kennt denn schon das UIG oder das IFG in den drei Bundesländern, in denen es bereits eingeführt ist? Erst wenn es Alltag ist, dass Leute Anträge auf Akteneinsicht stellen, wird sich die Verwaltung von dem hergebrachten Prinzip der „Amtsverschwiegenheit“ verabschieden. Das ist ein Lernprozess, der letztlich ähnlich funktioniert wie, sagen wir, Tennisspielen: Je häufiger man das macht, desto besser klappt es. Je mehr Leute ihr Recht auf Akteneinsicht wahrnehmen, desto eher lernt die Verwaltung, sich auf die neue Transparenz einzustellen. In diesem Sinne: Stellen Sie Anträge!
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