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Von den Quellen des Sourcecodes Zusammenfassung von Ulrich Gutmair

Von den Quellen des Sourcecodes
summary by Ulrich Gutmair

1) Wolfgang Hagen: Von No-Source to FORTRAN

Wo fängt Software an? War John von Neumann tatsächlich ein Architekt eines neuen Konzepts von Programmierung? Oder muß die Entwicklung der dem ENIAC zugrundeliegenden Architektur nicht einem Team aus Logikern und Ingenieuren zugeschrieben werden? Wolfgang Hagen untersucht anhand dieser und anderer Fragen in einer Diskursanalyse die Entstehung der ersten Sprachstile, die Software zugrunde liegen.

Dreiviertel aller Rechner, die bis 1960 in den USA gebaut wurden, sind Enkel des ENIAC. Für den ENIAC aber gilt laut Hagen die Feststellung: "There is no Software." Zwischen Frühjahr und Herbst 1944 entwickelte ein Team von Konstrukteuren das neue Konzept der sequentiell gespeicherten Programmierung. Ein Konzept, das traditionell John von Neumann zugeschrieben wird und als "Von-Neumann-Architektur" zum festen Begriff geworden ist. Für Hagen aber erklärt sich dieses Konzept zum einen aus der Teamarbeit der von-Neumann-Kollegen Brainerd, Goldstine, Eckert, Mauchly, Burk, zum anderen aber aus einem "ziemlich unumgänglichen Ingenieursfortschritt, der sich zwangsläufig aus der Architektur des ENIAC entwickeln mußte." Diese ist durch die Einheit von Logik und Hardware gekennzeichnet.

Die Programmierung des ENIAC zerfiel in zwei getrennte Teilbereiche, "numerical programming" und "programming proper": Das "numerical programming" mußte je nach Art der zu berechnenden Formel separat auf den Steckfeldern der je spezifischen Akkumulator- oder Function-Einheiten durchgeführt werden. Die "ENIAC-Girls", die an den Steckfeldern arbeiteten, griffen bei der Programmierung der einzelnen Einheiten auf Blockdiagramme zurück, die beschrieben, welches Bauteil welche Funktion durchzuführen hatte. Für diese Verkabelungspläne existierten noch keine spezifischen Codes, also verallgemeinerte symbolische Schreibweisen. Diese Flowcharts stellen für Hagen lediglich Vorläufer von Programmroutinen dar. "Programming proper" beschrieb dagegen die Verschaltung der einzelnen Units mit den "digit trunks", also dem Datenbus, und den sieben parallelen "program lines".

Von Neumann legte in drei großen Reports die Grundlagen der "Planning and Coding Problems for an Electronic Computing Instrument" dar, deren Inhalt für Hagen die krasse Fehleinschätzung von Neumanns beweist, daß nämlich eine Sprache zur Programmierung von Computern unnötig sei. Für den abgebrochenen Mathematikstudenten John Backus war das Grund genug, im Rückblick auf diese Situation die fundamentale Frage zu stellen: "Can we be liberated from the von-Neumann-style?" Backus entwickelte FORTRAN, das das Ende einer bis dato faktischen Handhabung von Wissen als Open Source markierte: IBM verkaufte die Manuals und Programme von da an für teures Geld.

Hagen skizziert die Entwicklung folgender Programmiersprachen als historischen Ablauf in drei Phasen: "- Der erste Einsatz der Programmiersprachen, zu Beginn der 50er, der aus symbolischen Kontiguitäten folgt, aber aus keinem mathematischen Modell. - Dann, zu Ende der 50er, die Gegenbewegung der mathematisch orientierten Funktional- und Deklarationssprachen, die die Maschine, von der sie zu abstrahieren fordern, idealisieren muß. - Und drittens, in den frühen siebzigern und noch einmal Ende der 80er: der Einschnitt der Simulation, der den Eintritt früherer Medien (Schrift, Bild, Ton) in den ´Computer´ markiert, was ihn selbst zum Medium macht. Dieser letzte Entwicklungsschritt führt zu den objektorientierten Sprachkonzepten, die weder eindeutig prozedural, noch eindeutig funktional definiert sind."

Programmiersprachen entstanden laut Hagen paradoxerweise eben nicht "aus dem Rekurs auf ein logisches Modell". Erklärbar wird dieser Widerspruch erst durch die Annahme, daß die neue Rechenmaschine erst im Laufe der Zeit und unter dem Druck an sie herangetragener Bedürfnisse als universelles Kommunikationsmedium verstanden werden konnte.


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